Im selben Band 162 des Crelleschen Journals wie die soeben diskutierte
Arbeit [Has30e] erschien [Has30c]. Dies ist Hasses erste Arbeit zur
lokalen Klassenkörpertheorie. Hasse hatte entdeckt, dass die von ihm in
der vorangegangenen Arbeit [Has30e] entwickelte Normenresttheorie als
lokale Klassenkörpertheorie gedeutet werden kann, so wie wir sie heute
kennen. Das in diesem Sinne gedeutete lokale „Reziprozitätsgesetz in der
Artinschen -Formulierung“ liefert einen Isomorphismus
(
) der lokalen
Normfaktorgruppe auf die Galoisgruppe der lokalen Erweiterung K
|k
(die als
abelsch vorausgesetzt wird).
Allerdings hatte diese erste Version der lokalen Klassenkörpertheorie noch
einen Schönheitsfehler. Nämlich: das lokale Normsymbol () hatte Hasse in
[Has30e] nur mit Hilfe des globalen Artinschen Reziprozitätsgesetzes definieren
und behandeln können. Somit ist die lokale Klassenkörpertheorie zunächst nur ein
Ausfluss der globalen Klassenkörpertheorie. Dabei benötigt man den
Satz, dass jede
-lokale abelsche Erweiterung als
-adischer Abschluss
einer globalen abelschen Erweiterung dargestellt werden kann. Diesen
Satz kann Hasse in [Has30e] zunächst nicht beweisen, er wird jedoch in
einer Arbeit von F.K.Schmidt, mit dem Hasse damals einen intensiven
Briefverkehr pflegte, im selben Band des Crelleschen Journals erledigt
[Sch30].
Hasse allerdings gibt sich mit dieser Situation nicht zufrieden. Er meint, man solle zunächst die lokale Klassenkörpertheorie ab ovo entwickeln und, darauf aufbauend, dann den Grenzübergang zur globalen Klassenkörpertheorie vollziehen. Er sagt dazu in [Has30c]:
„Davon verspreche ich mir eine erhebliche gedankliche, wenn nicht auch sachliche Vereinfachung der Beweise der [globalen] Klassenkörpertheorie, die ja in ihrem bisherigen ungehobelten Zustande wenig geeignet sind, das Studium dieser in ihren Resultaten so glatten Theorie verlockend erscheinen zu lassen.“
Was die Glättung der ungehobelten Beweise betrifft, so hat Hasse sich immer wieder darüber Gedanken gemacht, auch in der Korrespondenz mit Artin. Vgl. dazu Artins Briefe Nr.12 vom 29.7.1927 und Nr.15 vom 19.8.1927.