Lieber Herr Hasse!
Ich habe so lange nicht geantwortet116 , weil ich mich mit den vorliegenden Problemen herumgeschlagen habe. Zu meinem grössten Ärger habe ich nichts, aber auch rein gar nichts herausgebracht. Nichts zum Hauptidealsatz, nichts zu n-primär, nichts zu . Ich glaube, man muss die Sachen erst einmal ein wenig abliegen lassen. Was den Hauptidealsatz betrifft, so scheinen mir zunächst tiefere Untersuchungen über Gruppen mit Abelscher Faktorgruppe erforderlich. Die Schreierschen Methoden schaffen es noch nicht; jedenfalls bin ich zu dumm dazu. Sie können sich doch sicher lebhaft in meine ärgerliche Lage hineindenken. Da hat man diesen Satz sozusagen schon vor der Nase, es ist nur der letzte, auf den ersten Blick am einfachsten scheinende Schritt zu tun, und man kommt nicht vom Fleck.117
Was ich zum Klassenkörperturm meine? Den halte ich nicht für ein gruppentheoretisches Problem. Ich glaube nämlich, dass rein gruppentheoretisch „beliebig“ hohe (unendliche) Türme denkbar sind. Ich meine das so. Sei 1 die Gruppe des ersten Klassenkörpers 2 die des zweiten ect. Dann muss i-1 die Faktorgruppe der „(i - 1)-ten Kommutatorgruppe“ von i sein. Ich glaube nun, dass es unendliche Folgen 1,2,… dieser Eigenschaft gibt. Erst die spezielle arithmetische Natur des Grundkörpers wird hier den Ausschlag geben. Nach wie vor glaube ich, dass der beste Beweisansatz die Verschärfung der Minkowskischen Abschätzung ist. Wie man an diese herankommen soll ist eine Frage für sich.118
Die in ihrem vorletzten Brief bemerkten Schwierigkeiten zur Klassenkörpertheorie sind mir natürlich klar. Hier muss es eben die neue Idee schaffen. Schliesslich sah man doch zunächst auch nicht, wie man die Beweise für die R[eziprozitäts]g[esetze] vereinfachen sollte. Zur abstrakten Klassenkörpertheorie möchte ich noch einiges bemerken, was Sie sicher interessieren wird.119
Zu irgend einem Galoisfeld adjungiere man die Variable t und nenne den so erhaltenen Körper R. Also der Körper meiner Dissertation. Natürlich gilt hier die ganze Klassenkörpertheorie aber mit Modifikationen: Erstens gibt es wieder unendliche Primteiler, die durch „Vorzeichen“ der höchsten Potenz von t hereinkommen wenn wir quadratische Körper nehmen. Analog gibt es aber auch kubische ect. Was aber besonders bemerkenswert ist, ist die Tatsache, dass es bereits einen unendlich hohen Klassenkörper über R gibt (unverzweigt). Man muss nämlich, will man alle abelschen Erweiterungen haben, als Klassenteilungen ausser „Vorzeichen“ und Restklassen, noch den Grad in betracht ziehen. Sie sehen ja, welches die unendliche unverzweigte Erweiterung ist: Die des zu Grunde gelegten Galoisfeldes. Z.B. ist eine quadratische Erweiterung des Galoisfeldes ein Klassenkörper über R, der zum Strahl der Funktionen geraden Grades gehört. Analog beliebig viele Beispiele, bei denen etwa der Koeffizient der zweithöchsten Potenz von t eine Rolle spielt. Sie sehen, was auf der einen Seite sich vereinfacht, ist Körperelement, wird durch die Tatsache der Charakteristik wieder kompliziert.
Vielen Dank für Ihre Sendung.120 Ich habe mir vorgenommen, sie genau durchzulesen. Mit Ihrer Formalisierung bin ich voll und ganz einverstanden und finde sie keineswegs scheusslich. Darf ich mir noch eine Frage dazu erlauben. So viel ich sehe ist Ihr Beweis des „Zerlegungssatzes“ nur gültig, wenn k die Einheitswurzel enthält. Oder habe ich etwas übersehen? Es wäre doch schade wenn wegen der einen Seite die dadurch eingespart wird diese Lücke bliebe. Wollen Sie sie nicht ausfüllen?
Kann man jetzt eigentlich das Eisensteinsche R[eziprozitäts]g[esetz] rasch beweisen?
Was Ihre Ansätze zu n-primär betrifft, so glaube ich dass Sie da durchkommen werden. Ich habe leider nichts herausgebracht. Besonders schön wäre es, wenn man zu einer vernünftigen Definition von gelangen könnte.
Auch bezüglich der -Formulierung für K = k bin ich ratlos. Aber Sie brauchen doch dieses Übertragungsgesetz gar nicht und ich kann mir nicht denken dass es eine andere Bedeutung als die eines Hilfssatzes beim Beweis des R[eziprozitäts]g[esetzes] hatte. Überdies waren die Beweise dafür nicht gerade schön.
Nun möchte ich gerne meinerseits ein paar Fragen stellen. Wie Sie wissen ist es eines meiner Ziele, an die nicht-abelschen Körper heranzukommen. Aus diesem Grunde habe ich mich auch hauptsächlich mit der Arithmetik hyperkomplexer Zahlen beschäftigt, da ich ziemlich überzeugt bin, dass man diese braucht.
Beim rel[ativ] abelschen Körper liegt nun folgender Sachverhalt vor: Die einem Primideal zugeordnete Substitution heisse nach Ihrem Vorschlag . Sie ist das Analogon zum Legendre-Symbol. Das Analogon zum Jacobi-Symbol ist = 12…r, wenn = 12…r ist. Dann ist also b = und hängt nur von der Klasse von ab.
Anders bei nicht abelschen Körpern. Nach dem R[eziprozitäts]g[esetz] bei abelschen Körpern ist zu vermuten, dass die Substitutionen gerade wieder das Analogon zur Klassenteilung liefern. Hier ist aber einem Primideal eine Klasse C von Substitutionen der galois’schen Gruppe zugeordnet.
Was ist hier das Jacobische Symbol? Man beachte, dass im Abelschen Fall eine L-Reihe liefert, wenn ersetzt wird durch einen Charakter der Klassengruppe. Man wird ähnliches im nicht Abelschen Fall erwarten. Dort aber kennt man nicht die Reihenentwicklung von L(s,) sondern nur die von log L(s,). Es ist
Ich habe noch einiges zu sagen vergessen: Unter Cn verstehe man jetzt die richtiggehende Summe der Elemente dieser Klasse im hyperkomplexen Zahlsystem, dessen Basiseinheiten die Gruppenelemente sind. Mit Klassen rechnet man dann kommutativ. Also C .C2 z.B. ist ein Aggregat von Gruppenelementen das durch formales Ausmultiplizieren erhalten wird und übrigens sich linear aus Klassen zusammensetzt.
Ich komme da natürlich nicht weiter. Man müsste sehen, welche Bedeutung dem Jakobischen Symbol im abelschen Fall zukommt und darum möchte ich Sie gerade fragen. Es genügt der Fall der Primidealpotenz. Können Sie, eventuell mit -adik, eine direkte Definition von n geben?
Eine solche wäre vielleicht verallgemeinerungsfähig und man brauchte dann vielleicht keine expliziten Ausdrücke für C(1).
Sie werden von den Cn(1) entsetzt sein und sagen, sie seien wertlos. Nein! Gerade diese Ausdrücke oder ähnliche treten in der Theorie der hyperkomplexen Zahlen auf und ich bin überzeugt dass man sie dort wiederfindet. Ich habe natürlich nur ganz nebelhafte Vorstellungen über das wie. Ich denke immer, dass etwa ein nicht abelscher Körper eine Art Klassenkörper für gewisse hyperkomplexe Zahlen liefert.
Ich finde es sehr richtig, dass Sie
Ich habe heute die Separata erhalten und lege Ihnen ein Stück für Dr. Rauter bei.122 Wissen Sie übrigens die Adresse von Tschebotareff? Ich möchte ihm auch gern ein Separatum schicken.123
Ich fahre etwa am 8.–10. September von hier fort. Sind Sie bis dahin schon zurück?
Mit herzlichen Grüssen und einer Empfehlung an Frau Gemahlin sowie den besten Wünschen zur Erholung
Ihr Artin
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