40 November 1931, Brief von Artin an Hasse


November 1931 138

Lieber Herr Hasse!

Ich habe ein schrecklich schlechtes Gewissen. Auf keinen Ihrer Briefe eine Antwort.139 Teils ist das verteufelte Dekanat dran schuld, teils aber die alte Schreibfaulheit. Ihr liebenswürdiges Anerbieten wegen der Korrekturen konnte ich nicht annehmen, Sie haben selbst viel zu viel zu tun. Anbei die Korrekturen.140

Sie können sich gar nicht vorstellen, wie ich mich über den endlich geglückten Beweis für die cyklischen Systeme gefreut habe.141 Das ist der grösste Fortschritt in der Zahlentheorie der letzten Jahre. Meinen herzlichen Glückwunsch zu Ihrem Beweis. Ich lese jetzt Klassenkörpertheorie und will nächstes Semester anschliessend hyperkomplex werden. Wird man bis dahin Kenntnis von Ihrem Beweis bekommen? Sie werden ihn vermutlich bald publizieren. Ich bin gespannt wie es weiter geht und schon überzeugt dass Sie auf der richtigen Spur sind.

Ein bisschen habe ich auch in dem Gebiet gestümpert, aber viel ist nicht herausgekommen. Auf alle Fälle will ich es Ihnen schreiben aber wahrscheinlich ist Ihnen alles bekannt.142

1.) Sei K/k abelsch. Man ordne jedem p aus k ein Element s(p) der Gruppe von K/k zu, das nur für endlich viele p1 ist. Wann gibt es ein a aus k, so dass für alle p aus k gilt

(     )
  a,K--  = s(p)        ?
    p
Notwendig und hinreichend ist:
                                     }
1.)  s prod (p) gehört zur Zerlegungsgruppe       Also Einzigkeit des R[ezi-
2.)    s(p) = 1 .                          prozitäts]g[esetzes]
     p
2.) Es sei für ein hyperkomplexes System n und np (ihre143 Invarianten) vorgeschrieben. Aus der Produktformel folgt  sum pnp  =_ 0 (mod n). Ist das die einzige Bedingung?
Antwort ja. Es gibt also immer Systeme mit solchen np.

3.) S sei ein einfaches hyperkompl[exes] System [mit] Zentrum k. Nach Ihrem Satz ist S cyklisch erzeugbar. Frage: Ist S sogar durch Kreiskörper erzeugbar?

Antwort: Nein nicht immer, es sei denn k ist absolut galois’sch. Dann und nur dann geht es immer. Wohl aber gibt es stets einen cykli[schen] Kreiskörper der minimaler Zerfällungskörper ist. Bei beliebigem k ist also S stets einer cykli[schen] Kreiskörperalgebra ähnlich. Der Beweis stützt sich merkwürdiger Weise auf das Lemma des R[eziprozitäts]g[esetzes].

Aber das werden Sie ja alles schon wissen.

Das Schursche Theorem dass alle Darstellungen einer Gruppe n-ter Ordnung im n-ten Kreiskörper realisierbar sind ist doch wohl schon mit Ihren Methoden beweisbar?

Mit vielen Grüssen von meiner Frau und mir auch an Ihre Frau Gemahlin

      Ihr Artin

Kommentare zum Brief Nr. 40:

  40.1 Zyklizität der einfachen Algebren
  40.2 Artins Stümpereien