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25.11.1932, Noether an Hasse, Postkarte



Inhalt:

Hasses  Marburger  Vorlesungsausarbeitung  über Klassenkörpertheorie. Stipendium für Olga Taussky. Hasses Kritik über das Manuskript zum Hauptgeschlechtssatz.


Göttingen, 25.11.32

Lieber Herr Hasse! 1)

Ich habe, nachdem Frl. Bannow2) Durchschlag mitbrachte, noch drei weitere Bestellungen auf Ihre Klassenkörpertheorie

Wichmann, Cabrowstr. 10
Dr. Gröbner, Lotzestr. 24
Knauf, Gronerstr. 14.

Wenn es Ihnen bequem ist, schicken Sie alles zusammen an mich! Hoffentlich haben sich soviele gemeldet daß es für die Studenten nicht zu teuer wird, jedenfalls nicht teurer als die angegebenen 7 - 8 M, sonst müßte ich vorher um Preis-Mitteilung bitten.3)

Vielen Dank für Ihre Kritik am Hauptgeschlechtssatz; ich habe daraufhin an verschiedenen Stellen noch kleine Ergänzungen eingefügt, usw. und hoffe jetzt auch für die vollständig zu sein, denen das Hyperkomplexe noch nicht trivial ist.4) Sie sollten sich bei der Korrektur (ob galoissch oder “Galoissch”, weiß ich nicht!!) davon überzeugen! Den Führer habe ich weggelassen; das wird einmal zusammen mit anderem kommen, wenn es mehr durchgearbeitet ist. Und ich wollte auch betonen, daß es ohne Führer geht.5)

Hat Frl. Taussky Ihnen geschrieben daß sie sich auf meinen Rat um ein Stipendium bei den “International University Women” beworben hat. Ich habe ihr ein Gutachten geschrieben, Sie sind von Frl. Taussky als Referenz angegeben; als Land wohin sie will, hat sie Deutschland angegeben. Sie können aber auch von sich aus ein Gutachten schicken an Deutscher Akademikerinnenbund, zu Händen Frau Dr. Schlüter-Hermkes, Berlin-Charlottenburg, Lietzenseeufer 8.6)

Herzlichst, Ihre Emmy Noether.
       

Anmerkungen zum Dokument vom 25.11.1932

1Diese Postkarte war wie üblich an die Adresse von Hasse in Marburg adressiert, wurde dann aber nach Kiel nachgesandt, an die Adresse Fraenkels weil Hasse dort während seines Besuches wohnte. Hasse hielt sich in Kiel zu einem Kolloquiumsvortrag auf. Der Vortrag in Kiel war der erste, in dem Hasse über Lösungsanzahlen von diophantischen Kongruenzen vortrug, das Thema, das ihn 4 Monate später zum Beweis der Riemannschen Vermutung für elliptische Kongruenzfunktionenkörper führte. Hierzu siehe Roq:2004 .

2Erna Bannow, die spätere Frau Witt, war Mathematik-Studentin.

3Hasse hatte im Sommersemester 1932 in Marburg eine Vorlesung über Klassenkörpertheorie gehalten. Die Vorlesung war unter der Federführung von Dr. Franz, einem Doktoranden von Hasse, ausgearbeitet worden. (Vgl. die Anmerkungen zum Brief * vom 5. 4. 1932.) Sie soll jetzt hektografiert und einem größeren Interessentenkreis zugänglich gemacht werden. Um den Bedarf einzuschätzen, hatte Hasse vorher einen Rundbrief geschickt und um Vorbestellungen gebeten. Diese unter dem Namen “Marburger Vorlesungen” bekannte Ausarbeitung Has:1933a hat damals weithin Interesse gefunden. Sie erschien später (1967) in Buchform Has:1967 .

4Noether hatte ihr Manuskript zur Arbeit über den Hauptgeschlechtssatz Noe:1933a an Hasse geschickt mit der Bitte um Kommentare. Vgl. den Brief * vom 29. 10. 1932.

5Es ist nicht anzunehmen, dass mit dieser Formulierung ein politischer Hintersinn verbunden war. Oder doch? Noether schreibt dies Ende November 1932, zu einer Zeit, als die politisch motivierten Turbulenzen an der Universität Göttingen besonders stark waren. Vgl. die nächste Anmerkung.

6Olga Taussky hatte im Jahr 1931/32 in Göttingen bei der Redaktion der Ausgabe der Hilbertschen Gesammelten Werke Hil:1932 Hil:1933 Hil:1935 mitgearbeitet. (Vgl. Brief * vom 15. 3. 1932.) Offenbar war ihre Stelle abgelaufen und Taussky war wieder nach Wien zurückgekehrt. Noether kümmert sich nun um ein neues Stipendium für sie. In der Biographien-Sammlung von St. Andrews heißt es über Olga Taussky: “Leaving Göttingen in the summer of 1932, she received a letter from Courant before the new academic year started, advising her not to return to Göttingen due to unrest at the university caused by the deteriorating political situation.” Sie hat demnach das Stipendium, wenn es ihr denn bewilligt worden war, in Göttingen niemals angetreten. Später, im Jahre 1981 hat Olga Taussky-Todd einen bewegenden Artikel Tau:1981 geschrieben “My personal recollections of Emmy Noether.