Inhalt:
N. ist begeistert von H.s Ergebnissen zur Theorie der zyklischen Algebren. N. wünscht sich
nun die hyperkomplexe Begründung des Reziprozitätsgesetzes. N. arbeitet daran, die
Artinschen Führer auf dem Wege über hyperkomplexe Betrachtungen zu gewinnen.
12. 4. 31
Lieber Herr Hasse!
Ihre Sätze habe ich mit großer Begeisterung, wie einen spannenden Roman gelesen; Sie sind wirklich weit gekommen! 1)
Jetzt (Deuring schon lange, wie mir einfällt) wünsche ich mir noch die Umkehrung: direkte hyperkomplexe Begründung der Invarianten, d.h. der Zuordnung von Zerlegungsgruppe und Gruppe der nichtkommutativen Körper zu den einzelnen Stellen; sodaß dies aus einer einzigen Zuordnung im Großen induziert wird; und damit hyperkomplexe Begründung des Reziprozitätsgesetzes! Aber das hat wohl noch gute Weile! 2) Immerhin haben Sie doch, wenn ich mich recht erinnere, in der Schiefkörper-Arbeit mit Ihren Exponenten ep den ersten Teil schon gemacht? 3) Sind die “crossed products” Ihre englische Erfindung? Das Wort ist gut.4)
Ich habe mir unterdes die Führer etwas weiter überlegt; man muß die Zerlegung in Galoismoduln neben Z auch für Z × Z = SeSZ anwenden: das gibt direkt die Zerlegung der Diskriminante nach den Einsdarstellungen der Untergruppen, in Übereinstimmung mit Artin. Für die allgemeine Artin-Zerlegung fehlen mir noch ein paar Hilfssätze: man kommt aber erst auf die Zerlegung in Lagrangesche Wurzelzahlen; deren Idealzerlegung muß dann den Zusammenhang mit Artin geben. Nur weiß ich über die Idealzerlegung im allgemeinen Fall noch nichts! 5)
Herzliche Grüße, Ihre Emmy Noether
1Gemeint ist die Arbeit Hasses über zyklische Algebren Has:1932 , die er auf Englisch verfasst hatte, um sie in Amerika zu publizieren. Die Arbeit erschien 1932 in den Transactions of the American Mathematical Society und trägt das Eingangsdatum vom 29. Mai 1931. Offenbar hatte Hasse die wichtigsten Resultate dieser Arbeit an Emmy Noether geschickt. Vielleicht war es auch das Manuskript für die Vorankündigung in den Göttinger Nachrichten Has:1931a . Dort finden sich (ohne Beweise) alle wesentlichen Resultate von Hasses amerikanischer Arbeit angegeben. Vgl.auch die vorangegangene Postkarte * vom 23. 3. 1931 sowie den nächsten Brief * vom 2. 6. 1931.
2Schon ein Jahr später stellte Hasse ein Manuskript fertig, in dem er dieses Desideratum von Emmy Noether durchführen konnte. Hasse widmete die Arbeit Emmy Noether zum 50. Geburtstag am 23. März 1932; die Arbeit erschien in den Mathematischen Annalen Has:1933 . - Was Deuring betrifft, so hat er 1931 in den Göttinger Nachrichten eine Arbeit publiziert Deu:1931 , in der er den sog.Vertauschungssatz für das lokale Normenrestsymbol ganz abstrakt im Rahmen der Algebrentheorie bewies, ohne Bezugnahme auf die Zahlentheorie des globalen Körpers.
3Gemeint ist Hasses Arbeit über -adische Schiefkörper Has:1931 in den Mathematischen Annalen. Dort hatte Hasse bewiesen, dass für einen lokalen zentralen Schiefkörper die Verzweigungsordnung e mit dem Restklassengrad f übereinstimmt, und beide sind gleich dem Schurschen Index des Schiefkörpers.
4Bei der Anfertigung des englischen Manuskripts hatte Hasse von dem jungen Amerikaner Engstrom Unterstützung erhalten. (Engstrom, ein Schüler von Ore in New Haven, hielt sich 1930/31 in Göttingen auf und studierte bei Emmy Noether.) Es ist uns nicht bekannt, ob die Terminologie “crossed products” für die Noetherschen “verschränkten Produkte” von Hasse stammt oder vielleicht von Engstrom vorgeschlagen wurde. Seit Hasses amerikanischer Arbeit hat sich diese Terminologie in der englisch-sprachigen Literatur eingebürgert.
5Noether bezieht sich hier wiederum auf den Brief von Artin über die heute sogenannten Artinschen Führer. Hasse hatte ihr diesen Brief zugeschickt; vgl. Noethers Brief * vom 10. 10. 1930. Noether versucht offenbar, die Artinschen Führer auf dem Wege über hyperkomplexe Systeme zu gewinnen. Später, im August 1931 reicht sie eine Arbeit bei Hasse ein, in der sie die Artinschen Führer zumindest im zahm-verzweigten Fall mit ihren Methoden gewinnen kann. Vgl. Brief * vom 22. 8. 1931.