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22.08.1931, Noether an Hasse, Postkarte



Inhalt:

N. schickt ihre “Hensel-Note”, mit dem Beweis der Existenz von Ganzheits-Normalbasen bei Körpern ohne höhere Verzweigung. DMV-Tagung in Bad Elster. Deuring.


Rantum auf Sylt, 22. 8. 31 (bis Ende August)

Lieber Herr Hasse!

Hier mein Henselbeitrag! Ich habe doch etwas anderes genommen, als ich ursprünglich vorhatte, damit Sie und Hensel das Vergnügen von etwas P-adik haben. - Die Anmerkungen sind sehr unvollständig; denn Literatur gibt es in Rantum nicht. Vielleicht haben Sie einen Crelle Assistenten, der die fehlenden Seitenzahlen ausfüllen kann, sonst ich bei der Korrektur.1) Und dann soll er bei Anmerkung 3, Ihrer Schiefkörperarbeit, ein geschwungenes p machen, ich weiss nicht, wie man das schreibt! 2)

Mich interessiert an der Sache, dass man im einfachsten Spezialfall die Schwierigkeiten sieht, die ein direkter Aufbau der Führertheorie macht.3) Denn genau bis zu dieser Stelle bin ich auch allgemein gekommen. Übrigens habe ich bei Satz 7 die Zerlegung etwas allgemeiner angewandt, als es im Zahlbericht steht (dort Diskr[iminante] nur durch eine Primzahl teilbar) und muß erst kontrollieren, ob es wie ich vermute, stimmt, sonst schränke ich bei der Korrektur die Voraussetzung ein.4)

Kommen Sie nach Elster? Ich habe vor nach alter Gewohnheit hinzukommen; und Sie gehören doch auch zu den Regelmäßigen.5) Engstrom scheint ja mit Gottes und F. K. Schmidts Hilfe auch voranzukommen! 6)

Deuring hat unterdes bewiesen, daß von den beiden Vermutungen, Riemannscher und Gauss’scher - zu vorgegebener Klassenzahl gibt es nur endlich viele imaginär quadratische Körper - mindestens eine richtig ist; aber welche weiß er nicht.7)

Beste Grüße, Ihre Emmy Noether.
        

Anmerkungen zum Dokument vom 22.8.1931

1Noether schickt ihr Manuskript für den Festband des Crelleschen Journals, der aus Anlass des 70. Geburtstages von Kurt Hensel herauskommen soll. Der Geburtstag ist am 29. Dezember 1931; zu diesem Datum soll also der Festband fertiggestellt und dem Jubilar übergeben werden. Als Termin zur Abgabe der Beiträge wurde der 1. September 1931 festgesetzt. Offenbar um diesen Termin einzuhalten, hat Noether ihren August-Urlaub auf der Nordseeinsel Sylt dazu benutzt, das Manuskript niederzuschreiben. Wie aus ihren Bemerkungen hervorgeht, ist das Manuskript noch nicht ganz fertig für den Druck; es müssen noch einige redaktionelle Arbeiten durchgeführt werden. - Das Thema dieser Arbeit Noe:1931 ist die Existenz von lokalen Ganzheits-Normalbasen bei Körpern ohne höhere Verzweigung; dadurch wurde diese Arbeit weithin bekannt. Die Arbeit enthält auch den wahrscheinlich ersten Beweis der Existenz von Normalbasen für eine beliebige Galoissche Körpererweiterung (nicht notwendig Ganzheits-Normalbasen); allerdings nur für unendlichen Grundkörper.

2Noether bezieht sich auf die Arbeit von Hasse über p-adische Schiefkörper in den Mathematischen Annalen 1931 Has:1931 . Noether verwendet aus dieser Arbeit den Satz, dass jedes Links/Rechts-Ideal einer lokalen Maximalordnung einer einfachen Algebra ein Links/Rechts-Hauptideal ist.

3Die Motivation Noethers für diese Arbeit war nicht allein die Existenz von Normalbasen, sondern ein algebrentheoretischer Zugang zur Theorie der Artinschen Führer. Noether war durch Hasse über die Artinsche Führertheorie informiert worden (vgl.Noethers Brief * vom 10. 10. 1930). Noether kann jedoch hier nur den Fall einer zahm verzweigten Galois-Erweiterung behandeln; in diesem Fall gibt nämlich der Satz von der Ganzheits-Normalbasis eine einfache Aussage über die modultheoretische Struktur des Ringes der ganzen Elemente der Körpererweiterung: er ist als Galois-Modul isomorph zum ganzzahligen Gruppenring. Diese Isomorphie wird benutzt, um mit Hilfe der Zerlegung der Gruppendeterminante gewisse “Führerideale” zu definieren. Noether kann jedoch nicht allgemein zeigen, dass diese Ideale wirklich die Artinschen Führer sind; ihr gelingt das nur im Falle einer zahm verzweigten zyklischen Erweiterung von Q von Primzahlgrad durch Bezugnahme auf Hilbert (Zahlbericht). Erst viel später, 1983, konnte Fröhlich zeigen, dass die Noethersche Definition tatsächlich mit den Artinschen Führern übereinstimmt: fro:1983 .

4Es stellte sich dann heraus, dass das nicht nötig war. Im endgültigen Text erklärt Noether in einer Fußnote, dass in ihrem Falle die Hilbertschen Voraussetzungen gemildert werden können.

5Im September 1931 fand die Jahrestagung der DMV in Bad Elster statt. Hasse kam nach Bad Elster zusammen mit seinem Freund Harold Davenport, mit dem er zuvor eine längere Autotour durch Europa gemacht hatte.

6Es handelt sich um den Versuch Engstroms, den ihm von Hasse genannten Existenzsatz zu beweisen. Vgl.Brief * vom 2. 6. 1931.

7Deuring hat darüber 1932 auf dem Internationalen Mathematiker Kongress in Zürich vorgetragen und erregte mit diesem Resultat einiges Aufsehen. Seine Arbeit erschien in der Mathematischen Zeitschrift Deu:1933 .