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10.10.1930, Noether an Hasse



Inhalt:

N. dankt H. für Zusendung des Artinschen Briefes. Zukunftsphantasien zur algebrentheoretischen Deutung der Artinschen Führer. Deurings algebrentheoretischer Beweis des Vertauschungssatzes für das Normenrestsymbol.


10. 10. 30

Lieber Herr Hasse!

Schönen Dank für Artin!1) Die Sachen sind wirklich wunderschön! Mich reizen besonders die darin steckenden formalen Grundlagen; einiges Hyperkomplexe - einstweilen noch ganz unabhängig - habe ich mir überlegt, so das folgende:

Das verschränkte Produkt von K mit seinem Gruppenring (Gruppenring von K/k) wird wegen Faktorensystem eins ein voller Matrizenring über K. Jede Basis von K/k - zusammen mit der Einheit der identischen Darstellung des Gruppenringes - liefert eine Zerlegung in einseitig einfache, etwa Rechtsideale. Die entsprechende Linkszerlegung wird dann durch die komplementäre Basis von K/k erzeugt. Beschränkt man sich auf ganzzahlige Ideale, so gehören also Rechts- und Linkszerlegung komplementären Idealklassen von K/k an. Ich vermute, daß man so auch Sätze über Differentenzerlegung erhält, und dann nach Normbildung Zusammenhänge mit Artin. Aber das ist Zukunftsphantasie! 2) Jedenfalls schönen Dank für die Überlassung des Briefs; die Zurücksendung hat sich etwas verzögert, da Deuring verreist war dem ich den Brief gern zeigen wollte. Der übrigens als formalen Grund seines Vertauschungssatzes etwas ganz ähnliches wie das obige erkannt hat: Übergang zum reziprok isomorphen Ring (Vertauschen von Rechts- und Linksmultiplikation) bei Vertauschen von Körper und Gruppe im zyklischen Fall, wenn man verschränktes Produkt mit beliebigem Faktorensystem zugrundelegt.3)

Beste Grüße, Ihre Emmy Noether.
    

Anmerkungen zum Dokument vom 10.10.1930

1Hasse hatte an Noether zur Kenntnisnahme einen Brief von Artin an Hasse geschickt. Jener Brief war datiert vom 18. 9. 1930 und enthielt die Artinsche Ergänzung zu seiner Theorie der L-Reihen, insbesondere die Theorie der Artinschen Führer. Hierzu vgl. auch Roq:2000 .

2Einen Teil dieser Zukunftsphantasie realisierte Noether später in ihrer Arbeit Noe:1931 über lokale Ganzheits-Normalbasen im zahm-verzweigten Fall, erschienen im Hensel-Festband des Crelleschen Journals 1932.

3Hier spielt Noether an auf Deurings algebrentheoretischen Beweis des Vertauschungssatzes für das Hilbertsche Normenrestsymbol Deu:1931 .