Hamburg, den 14. November 1928.
Lieber Herr Hasse!
Vielen Dank für die freundliche Mitteilung der Scholz’schen Ergebnisse über Hauptidealisierung in Unterkörpern des Klassenkörpers. Sie haben mich sehr interessiert; natürlich kann ich dazu nicht sehr viele Bemerkungen machen.15 Namentlich hat mich das Ergebnis über den imaginär quadratischen Körper interessiert und zwar aus folgendem Grunde:
Sie schreiben: „Für einen imaginär quadratischen Körper wird in einem Unterkörper -ten Grades des -Klassenkörpers nur eine Untergruppe -ter Ordnung von -Klassen zur -Hauptklasse.“ 16 Ist das nun bewiesen oder eine Vermutung? Ich habe zunächst keine Idee, wie man aus der Tatsache, dass der Grundkörper imaginär quadratisch ist, Schlüsse ziehen kann, insbesondere Schlüsse über die Gruppe des zweiten Klassenkörpers. Allerdings kann es ja sein, dass die Beweise die komplexe Multiplikation benutzen. Dann aber ist es interessant, dass die komplexe Multiplikation Sätze liefert, die allem Anschein nach über die Gruppe des zweiten Klassenkörpers Aufschluss geben. Denn der behauptete Satz ist ja doch nicht für alle Gruppen richtig. Die weiterhin in diesem Abschnitt geäusserten Vermutungen bedeuten ja auch Aussagen über die erwähnte Gruppe und ich sehe zunächst noch nicht wie man solche Aussagen anders als auf dem Wege der komplexen Multiplikation gewinnen kann. Jedenfalls ist das das erste Ergebnis in dieser Richtung. Es kann aber natürlich auch sein, dass das recht einfach zu gewinnen ist und ich es nur wieder einmal nicht sehe. Es würde mich sehr interessieren, zu erfahren, auf welchem Wege dieser Satz gewonnen wurde. Folgt vielleicht doch schon der Satz, wenn man von der Tatsache Gebrauch macht, dass sich die ganze Gruppe zu einer nicht-abelschen Gruppe doppelter Ordnung erweitern lassen muss? Ich glaube nicht, denn dann würde der Satz ja auch für reell quadratische Körper gelten.
Heute ging Ihr Manuskript in die Druckerei17 . Sie werden also bald die Korrekturen bekommen. Gleichzeitig habe ich eine Arbeit von mir hingebracht, betitelt „Idealklassen in Oberkörpern und allgemeines Reziprozitätsgesetz“. Es betrifft die sich an den Hauptidealsatz anschliessenden Fragen, die Sie ja zum grössten Teil schon kennen.18 Allerdings sind nun manche Dinge neu hinzugekommen, welche den ganzen Stoff abgerundet haben. Es zeigt sich, dass alle Fragen über beliebig gegebene Körper mit ganz beliebig gegebener Klasseneinteilung mit den gleichen Mitteln zu behandeln sind und anderes. Alles dies folgt natürlich aus dem gleichen Ansatz und ist mit diesem eigentlich schon gegeben. Es war aber doch notwendig, diese Fragen in voller Allgemeinheit einmal zu behandeln, da ja der eine Abschnitt bei Furtwängler19 zu speziell auf den Hauptidealsatz zugeschnitten ist. Sobald die Korrekturen da sind, schicke ich Ihnen ein Exemplar.20
Nun noch eines zu Ihrem Bericht. Es wäre eigentlich schade, wenn Sie den Furtwänglerschen Beweis in den Bericht nicht aufnehmen könnten. Darf ich den Vorschlag machen, doch den Spezialfall von drei Basisklassen zu behandeln, der die Dinge ja vollständig zeigt und der einfach und kurz genug ist. Natürlich nur, wenn Sie sich nicht doch entschliessen, den ganzen Beweis aufzunehmen.21
Mit herzlichen Grüssen und einer Empfehlung an Frau Gemahlin
Ihr Artin
Kommentare zum Brief Nr. 208: