Hamburg, den 4. November 1928.
Lieber Herr Hasse!
Ich habe Ihr Manuskript erhalten, sowie die beiden Briefe und komme leider erst jetzt zur Beantwortung. Sie sind mir wohl nicht böse, wenn ich mit Schreibmaschine schreibe, aber dies ist der letzte Versuch, wirksam gegen meine Schreibfaulheit anzugehen, die ja vor allem einer grossen Unlust gegen den Akt des Schreibens entspringt. Ich hoffe dass es jetzt etwas besser mit mir werden wird. Ich verspüre wenigstens bis jetzt noch keine Unlust gegen das Schreiben auf der Maschine. Hoffentlich bleibt das so.
Ihr Manuskript geht bald in die Druckerei und dann erhalten Sie auch bald die Korrekturen.7
Was Ihre Bemerkungen zum Teil II Ihres Berichtes betrifft, so bin ich ganz Ihrer Meinung. Insbesondere was den Tschebotareffschen Beweis angeht. Er hat den Vorzug gegen meinen, relativ elementar zu sein, während meiner wieder den Vorzug hat, abgesehen davon dass eine Kleinigkeit mehr heraus kommt, mit denselben Mitteln zu arbeiten, wie man das seit Dirichlet gewohnt ist. Auch ich würde beide aufnehmen.8
Ihre Darstellung des Beweises des Reziprozitätsgesetzes finde ich sehr schön; in meiner allerersten Fassung, die Sie nicht kennen, hatte ich dem Hilfssatz auch eine ähnliche Fassung gegeben, fand aber dann, dass der Beweis für Primzahlen einfacher zu führen ist und dass dies genügt, wenn man dafür den Hilfssatz zweimal anwendet. So wie Sie es dargestellt haben, ist der Beweis aber noch einfacher. Allerdings möchte ich nun noch erwähnen, dass man beim Beweis des Hilfssatzes von der Klassenkörpertheorie keinen Gebrauch zu machen braucht. Ich weiss nicht ob ich schon gelegentlich Ihres Hierseins9 mit Ihnen darüber gesprochen habe.10
Von Scholz habe ich nichts gehört, kenne also auch seine Ergebnisse nicht. Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mir schreiben könnten worum es sich dabei handelt.11 Furtwängler hat mir übrigens geschrieben, dass er doch nicht mehr an die allgemeine Gültigkeit seines verallgemeinerten Hauptidealsatzes, also an den Hauptidealsatz in geeigneten Unterkörpern (Sie erinnern sich wohl daran), glaubt.12 Er hat nämlich ein gruppentheoretisches Gegenbeispiel gefunden; das besagt natürlich nichts gegen den Satz, da man den Existenzsatz ja doch nicht hat. Es ist aber doch sehr wahrscheinlich, dass der Satz falsch ist.13
Was die Korrektur der Arbeit von Furtwängler betrifft, so erhalten Sie morgen ein Exemplar zugeschickt. Sie kennen ja noch die Hauptberichtigung die man vornehmen muss. Herr Schreier und ich haben alles geprüft, es ist nun alles in Ordnung.14
Mit den besten Grüssen und einer Empfehlung an Frau Gemahlin
Ihr Artin
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