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09.08.1932, Noether an Hasse



Inhalt:

Noether schickt ihre Note, die später im Herbrand-Gedenkband erschienen ist. Rusam. Hopf.


Göttingen, 9.8.32

Lieber Herr Hasse!

Hier bekommen Sie nun meine Note, nebst allem anderen zurück. Da Chevalley doch getrennt erscheint - ich hatte verstanden, er hätte Ihnen das Manuskript für Crelle geschickt - könnten wir die Noten auch in die Annalen bringen die augenblicklich rasch drucken und wo ich selbst lange nichts publizierte. Mir ist aber auch Crelle recht wenn es Ihnen lieber ist; ich überlasse es Ihnen.1) Sind Sie mit Ihren schönen Klassenanzahlplänen voran gekommen? Die Arbeit Wenkoff (aus dem Russischen in d. Math. Zeitschr.; ich glaube er heißt so) über die Bestimmung der Klassenanzahl im quadratischen Körper durch Einbettung in Quaternionenkörper - dargestellt durch ternäre Formen - wäre ja auch zu vergleichen.2)

Ich lege Ihnen noch einen Brief von dem Krullschüler Rusam bei - den ich nicht zurückbrauche - der Sie interessieren wird. Denn er hat im Fall endlicher Ringe gerade das an Fitting anschließende Problem im wesentlichen gelöst. Ich will ihm das Fitting-Manuskript schicken das ihm vielleicht für ein paar allgemeine Überlegungen nützlich ist; sonst gibt es ja wohl nichts. Eventuell können Sie sich ja noch weitere Einzelheiten von ihm mitteilen lassen.3)

Ich denke daß die Abzählungen von Chevalley an den Verzweigungsstellen auch durch meine explizite Angabe der Max[imal]-Ordnungen ersetzt werden können, wodurch man genaueren Einblick bekommt entweder indem man wie Chevalley durch Erweiterung mit Zerfällungskörper auf den Matrizenring zurückkommt, oder indem man den Restklassenring nach p, das zweiseitige Primideal, betrachtet der ja auch Matrizenring wird.4)

Ich will vermutlich Freitag d. 12., mittags abreisen - die Morgenpost trifft mich noch - vorerst nach Wengen (Wengen, Berner Oberland, postlagernd); vielleicht gehe ich nachher noch nach Wengern-Alp.5)

Deuring ist schon Sonnabend nach Südtirol gefahren, mit einem Freund Bergtouren zu machen (Meran, postlagernd), will von dort nach Zürich. Was sind Ihre Autopläne? Courant wird Ende August zurückerwartet.

In Zürich wohne ich bei Hopf, Schlößlistr. 2.6) Auf Wiedersehen dort und herzliche Grüße,

Ihre Emmy Noether.
       

Anmerkungen zum Dokument vom 9.8.1932

1Beide Noten Noe:1934 , Has:1934a wurden schließlich im Herbrand-Gedenkband publiziert. Vgl. die Postkarte * vom 21. 7. 1932, sowie den nächsten Brief * vom 29. 10. 1932.

2Wir haben nicht feststellen können, um welche “Klassenanzahlpläne” Hasses es sich gehandelt hat. - B. A. Venkov hat Anfang der 20er Jahre die Arithmetik von Quaternionenalgebren untersucht, a la Hurwitz. Er ist dabei auf einen arithmetischen Beweis der Dirichletschen Klassenzahlformeln für komplex quadratische Zahlkörper mit Diskriminante d / =_ 1 mod 8 gestossen, die er 1928 auf russisch, und 1931 auf deutsch in der Mathematischen Zeitschrift veröffentlicht hat Wen:1931 . Sein Beweis ist auch in seinem Buch über Zahlentheorie zu finden, das 1970 als Elementary Number Theory auch auf Englisch erschienen ist Ven:1970 . Ansonsten scheint dies keine große Resonanz gefunden zu haben. Die genannte Bedingung an d kommt daher, dass -d Summe dreier Quadrate sein muss; hierin liegt der Zusammenhang mit der Einbettung des quadratischen Zahlkörpers in eine Quaternionenalgebra.

3Die Erlanger Dissertation von Friedrich Rusam (1934?) hatte den Titel: “Matrizenringe mit Koeffizienten aus endlichen Ringen ganzer Zahlen.” Diese Arbeit ist offenbar in keiner mathematischen Zeitschrift publiziert worden; sie wurde jedoch von Köthe für das Zentralblatt referiert. Der Brief von Rusam an Emmy Noether findet sich in dem Hasseschen Nachlass. Darüberhinaus hat offenbar kein Briefwechsel von Hasse mit Rusam stattgefunden.

4Noether bezieht sich auf die Note Che:1934 und vergleicht diese mit ihrer eigenen Note Noe:1934 .

5Anscheinend will Noether vor der Internationalen Mathematiker-Konferenz in Zürich noch einige Zeit in die Schweizer Alpen.

6Heinz Hopf (1894-1971) gehörte in seiner Göttinger Zeit dem engeren Kreis um Emmy Noether an, zusammen mit seinem Freund Paul Alexandroff. Seit 1931 hatte Hopf eine Professur an der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich inne.