Inhalt:
Nochmal Köthe;Vergleich mit Hasses Beweis. Die neue Wohnung.
Stegemühlenweg 51, 2. 05. 1932
Lieber Herr Hasse!
Sie haben mich gar nicht mißverstanden; ich habe nur, wie mir jetzt klar wird, einen alten Beweis von mir mit Ihrem verwechselt; das Manuskript hatte ich nicht mehr, das ist lange an Blumenthal geschickt.1)
Ich hatte mir längst überlegt, daß aus (p : p) = np2) folgt, daß im Kleinen jeder zykl[ische] Körper in eine Divisionsalgebra einbettbar ist3); und daß man die Klassenkörpertheorie im Kleinen so hyperkomplex aussprechen kann. Vielleicht erinnern Sie sich, daß ich Sie von Frankfurt aus fragte, ob Sie nicht mit Ihren Methoden - Sie hatten mir gerade das Schiefkörpermanuskript geschickt - (p : p) = np direkt hyperkomplex beweisen könnten. Das konnten Sie damals aber nicht.4)
Als ich nun Köthe5) in die Hand bekam, fiel mir als erstes auf, daß jetzt diese alte Frage ja beantwortet ist. Bei Ihnen hatte ich drüber weggelesen; oder was wahrscheinlicher ist, ich dachte an meinen alten Beweis6) und habe bei Ihnen im wesentlichen überflogen.
Vielleicht machen Sie in der Korrektur an dieser Stelle einen kurzen Hinweis7); mir wird jetzt auch erst eine Bemerkung in einem Ihrer letzten Briefe klar, daß ( : ) = np hyperkompl[ex] erledigt ist, und nur die übrigen Indexberechnungen bleiben. Das verstand ich nicht! Ich habe also jedenfalls meine mathematisch-historischen Kenntnisse durch diese Korrespondenz erweitert! 8)
An Blumenthal will ich wegen rascher Korrekturen schreiben. In der neuen Wohnung müssen Sie bald einmal Gast sein: Math. Ann. Bd. 1-105 und Crelle Bd. 60-167 stehen im Bibliotheks-Fremdenzimmer zur Verfügung! 9)
1Offenbar hatte Hasse Einspruch erhoben gegen Noethers Urteil auf der vorangegangenen Postkarte * vom 27. 4. 1932, dass erst Köthe den lokalen Normensatz bewiesen habe. Der von Noether angesprochene Satz stand ja mit Beweis in der Widmungsarbeit von Hasse für Emmy Noether Has:1933 , die er ihr Ende März geschickt hatte. Nun gibt Noether zu, dass Sie die betreffende Stelle nicht genau gelesen hatte; gleichzeitig teilt sie jedoch mit, dass sie sich selbst schon seit längerem damit beschäftigt hat.
2Zu dieser gruppentheoretischen Bezeichnungsweise siehe die Anmerkungen zur Postkarte * vom 27. 4. 1932.
3Gemeint ist: Jede zyklische Körpererweiterung eines p-adischen Körpers Kp ist einbettbar als maximaler kommutativer Teilkörper in eine Divisionsalgebra, deren Zentrum Kp ist.
4Vgl. Noethers Postkarte * vom 25. 6. 1930.
5Gemeint ist dessen Manuskript.
6Es gibt einen Brief von Noether an Chevalley, datiert 12.12.1931, in dem sie schreibt, dass sie sich diesen Beweis “anläßlich ihres diesjährigen Seminars (Klassenkörpertheorie im Kleinen usw.)” überlegt habe. Dazu schreibt sie: “es folgt unmittelbar aus Hasse, Göttinger Nachrichten 1931”.
7In der Arbeit von Hasse in den Mathematischen Annalen Has:1933 (der Widmungsarbeit) steht jetzt an der betr. Stelle, nämlich bei Satz (5.2), ein Hinweis auf Köthe. Interessant ist, dass Hasse sein Zitat wie folgt formuliert: “Den Beweis siehe in Hasse [9] oder besser in Köthe [1]”. Dabei ist [9] die gemeinsame Arbeit Brauer-Hasse-Noether aus dem Crelleschen Journal BraHasNoe:1932 , während [1] eben die in Rede stehende Arbeit Koe:1933 bedeutet, die gleich im Anschluss an die Hassesche Arbeit in den Mathematischen Annalen erschien. Bei der Durchsicht der Kötheschen Arbeit fällt auf, dass er sich häufig auf die voranstehende Arbeit von Hasse bezieht und auch explizit sagt, dass seine Arbeit auf den von Hasse entwickelten Methoden beruht. Ferner bedankt er sich in einer Fußnote bei Hasse “für viele Ratschläge bei der Abfassung dieser Note.” Hasse hatte also wesentlichen Einfluss auf die Abfassung der Kötheschen Arbeit genommen.
8In den Marburger Vorlesungen Has:1933a wird übrigens dieser Normenrestsatz nicht hyperkomplex bewiesen, also nicht unter Benutzung der Algebrentheorie. Stattdessen wird das “Herbrandsche Lemma” (über die Kohomologie zyklischer Gruppen) herangezogen. Die Algebrentheorie kommt in den Marburger Vorlesungen nicht vor.
9In dem Bibliotheks-Fremdenzimmer der neuen Wohnung wurden gelegentlich auch Seminare abgehalten. In dieser Wohnung konnte Noether nicht viel länger als ein Jahr leben; danach war sie zur Emigration gezwungen.