Wie es scheint, kommentiert Artin hier einige Äußerungen von Hasse, die wir nicht kennen. Der Abschnitt wird jedoch verständlich, wenn man die Korrespondenz Hasse-Noether heranzieht. Wir haben schon in 30.1.4 erwähnt, dass Hasse mit Noether in engem Briefwechsel stand, dass er sie über die Artinschen Ideen über L-Reihen und Führer informiert hatte, und dass sie sogleich daran ging, sich über die Grundlagen der Artinschen Führertheorie im Rahmen der Theorie der Algebren (oder hyperkomplexen Systeme) Gedanken zu machen. In dem bereits in 30.1.4 herangezogenen Brief Noethers vom 10.10.1930 schreibt sie folgendes. Dabei bezeichnet K|k eine galoissche Erweiterung von Zahlkörpern.
„Das verschränkte Produkt von K mit seinem Gruppenring (Gruppenring von K|k) wird wegen Faktorensystem eins ein voller Matrizenring über K. Jede Basis von K|k – zusammen mit der Einheit der identischen Darstellung des Gruppenringes – liefert eine Zerlegung in einseitig einfache, etwa Rechtsideale. Die entsprechende Linkszerlegung wird dann durch die komplementäre Basis von K|k erzeugt. Beschränkt man sich auf ganzzahlige Ideale, so gehören also Rechts- und Linkszerlegung komplementären Idealklassen von K|k an. Ich vermute, daß man so auch Sätze über Differentenzerlegung erhält, und dann nach Normbildung Zusammenhänge mit Artin. Aber das ist Zukunftsphantasie!“
Wir können daraus entnehmen, dass Noether die Theorie der Artinschen Führer mit Hilfe der Arithmetik in dem zerfallenden verschränkten Produkt von K|k mit seiner Galoisgruppe begründen möchte. (Wir haben schon in 30.1.4 gesagt, dass ihr das im zahm verzweigten Fall schließlich gelang.)
Man beachte, dass Noethers Brief am 10.Oktober geschrieben wurde und Artins Brief am 11.November, also einen Monat später. Inzwischen hatte Hasse, so nehmen wir an, Artin über die Noetherschen Ideen informiert, so wie er vorher Noether über die Artinschen Ideen informiert hatte. Und Artins „Zukunftsmusik“ aus dem vorliegenden Abschnitt seines Briefes ist eine Antwort auf Noethers „Zukunftsphantasien“. Und zwar im zustimmenden Sinn.
In der Tat erwähnt ja Artin „den Ring, den schon Dickson68 eingeführt hat“, also das zerfallende verschränkte Produkt. Und er meint auch, man muss „die Einteilung …besser im genannten Ring“ untersuchen. Das bedeutet, dass man in dem nichtkommutativen verschränkten Produkt Arithmetik treiben und Klasseneinteilungen studieren muss, so wie man es im kommutativen Fall in der Klassenkörpertheorie gewohnt ist. Das aber ist genau der Ansatz von Emmy Noether in ihrem Brief.