Die „Korrekturen“, für die sich Artin bedankt, waren die Korrekturfahnen zu Hasses Klassenkörperbericht II [Has30a].
Seit drei Jahren war in den Briefen Artins immer wieder, direkt oder indirekt, der in Arbeit befindliche Klassenkörperbericht II von Hasse angesprochen worden – beginnend mit dem Brief Nr.10 vom 21.7.1927, in welchem Artin sein Bedauern ausdrückte, dass Hasse seinen Bericht ganz neu schreiben muss. Das war nötig, um Artins eben neu bewiesenes allgemeines Reziprozitätsgesetz als Grundlage aller anderen Reziprozitätsgesetze in den Bericht aufnehmen zu können. Hasse hat Artin stets auf dem Laufenden gehalten über den Fortschritt der Arbeiten, über sein allgemeines Konzept, über gewisse Beweisanordnungen, über die von ihm verwendete Terminologie, über offene Fragen u.a.m.. Wie wir aus der Korrespondenz sehen, hat Artin darauf stets mit Interesse reagiert und lebhaft seine eigene Meinung zu diversen Fragen geäußert.
Hasse hat also seinen Klassenkörperbericht II in engem wissenschaftlichen Kontakt mit Artin angefertigt. Das war jedoch keine Kooperation im eigentlichen Sinne, denn die Konzeption und die Niederschrift des Berichts lag ausschließlich bei Hasse. Aber er legte Wert darauf, Artins Meinung dazu zu erfahren.
Nun also ist der Klassenkörperbericht II fertig, das Manuskript ist zum Druck gegeben und die Korrekturfahnen liegen vor. Es überrascht uns nicht, dass Hasse diese Korrekturfahnen an Artin zur Kenntnisnahme schickte.
Wenn Artin dazu schreibt, er komme „viel zu gut dabei weg“, dann erscheint uns das als eine reine Höflichkeitsgeste. Schließlich war der Klassenkörperbericht II das erste Buch, in dem das Artinsche Reziprozitätsgesetz dargestellt und als Grundlage für eine systematische Herleitung der klassischen Reziprozitätsgesetze genutzt wurde. Artin war sich sehr bewusst, dass sein allgemeines Reziprozitätsgesetz als die Krönung einer langen Entwicklung der Klassenkörpertheorie anzusehen war, und dass es gleichzeitig die Basis aller bis dahin bekannten expliziten Gesetze zur Reziprozität lieferte. Seine Äußerungen dazu, auch im Briefwechsel mit Hasse, sind unmissverständlich. Vgl. z.Bsp. den Brief Nr.10 vom 21.7.1927.