Das Thema der Ergänzungssätze für den Exponenten n war in früheren
Briefen ausführlich zur Sprache gekommen. Hasse hatte die Niederschrift der
gemeinsam zu publizierenden Arbeit [AH28] übernommen, und Artin bestätigt
nun den Erhalt des Manuskripts.
Sei n = e2
i/
n
die normierte
n-te primitive Einheitswurzel und
n = 1 -
n
der Primteiler von
im Körper der
n-ten Einheitswurzeln. Gesucht ist
eine Rechenvorschrift für die Berechnung der Potenzrestsymbole
(1.Ergänzungssatz) und
(2.Ergänzungssatz) für
1 mod
n im Körper
der
n-ten Einheitswurzeln. Diese Symbole werden in der Form
nL angesetzt und
es geht nun darum, den auftretenden Exponenten L in den beiden Fällen zu
berechnen. (Im Falle
= 2 ist n > 2 vorauszusetzen.)
Im Falle des zweiten Ergänzungssatzes ergibt sich
![]() | (35) |
wobei log den
-adischen Logarithmus bedeutet, und Sn die Spur im Körper der
n-ten Einheitswurzeln. Dies ist dieselbe Formel wie sie Artin in seinem
vorangegangenen Brief Nr.16 vom 4.9.1927 aufgestellt hatte, aber nicht
allgemein beweisen konnte. Es ist anzunehmen, dass Artin bei seinem
Besuch in Halle am 13.September 1927 mit Hasse darüber gesprochen
hatte, und dass sich der Beweis schliesslich aus dieser Diskussion ergeben
hat.
Der Beweis ist jedoch keineswegs trivial und erfordert ganz neuartige
Überlegungen. Die Idee ist die folgende: Für
1 mod
n
1
n ist die
Formel trivial, weil dann
hyperprimär ist und beide Seiten gleich 1
sind.153
Daher genügt es, die Formel für die Zahlen einer Basis der Gruppe aller
Restklassen modulo
n
1
n , die
1 mod
n sind, zu beweisen. Eine solche
Basis hatte Hensel in seiner grundlegenden Arbeit 1916 im Crelleschen
Journal angegeben. Die Basiselemente sind
a = 1 -
na mit geeignetem a
aus dem Intervall 1 < a <
n. (Nämlich für (a,
) = 1 oder a =
n.) Mit
diesen Basiselementen hatte Artin zu rechnen versucht, war aber damit
nicht durchgekommen, wie er das in seinem Brief Nr.16 vom 4.9.1927
schilderte.154
Nun wird für den vorliegenden Zweck eine andere Basis konstruiert, nämlich mit
Elementen
a, deren
-adischer Logarithmus die Entwicklung
![]() | (36) |
besitzt. (Diese werden als „reine“ Logarithmen bezeichnet, weil im Nenner nur
reine Potenzen von vorkommen.) Die Benutzung dieser Basiselemente ist für den
Erfolg der Rechnung entscheidend. Trotzdem sind die Rechnungen nicht trivial
und ziemlich langwierig; sie ziehen sich in der publizierten Arbeit über 10 Seiten
hin.
Da Artin in seinem Brief nicht eigens darauf eingeht, so ist anzunehmen, dass
er schon vorher über diese Wahl der Basis a informiert war. In seinem letzten
Brief hatte er es noch mit einer anderen Basis versucht, und somit ist
anzunehmen, dass beide im gemeinsamen Gespräch in Halle entschieden hatten,
diese Basis
a zu nehmen.
Die Relation (36) kann auch in der Form log a = g(
na) geschrieben werden,
wobei
![]() | (37) |
Diese Potenzreihe hat in der späteren Literatur der Witt Vektoren
sowie der Algebren in Charakteristik eine Rolle gespielt; ihre
Umkehrung wird heute als „Artin-Hasse exponential series“
bezeichnet.155
Artin erwähnt insbesondere, dass er die Berechnung des n-ten
Potenzrestsymbols
„amüsant“ findet, so wie sie Hasse durchführt.
Diese Rechnung findet sich am Schluss der Arbeit. Offenbar hat Artin die Formel
vorher nicht gekannt, denn er schreibt, dass er als Ergebnis
n±1 vermutet
hätte. Dies tritt jedoch nur für n = 2 und für n = 3,
= 2 ein. Wie es
scheint, hatte Artin höhere Exponenten nicht numerisch getestet. Die von
Hasse gefundene Formel ist eine Folge der oben genannten langwierigen
Rechnungen. Die Hassesche Formel besitzt die Form
=
nLn
mit
![]() | (38) |
wobei m die zu teilerfremden Zahlen des Intervalls 1 < m < n-
durchläuft.
Die Klammern rechts bedeuten den entsprechenden Binomialkoeffizienten. Siehe
auch 17.3.