März 1932164
Lieber Herr Hasse!
Die letzten Tage habe ich ganz angestrengt nach den Formulierungen gesucht und dabei lag alles so nahe! Der Irrtum lag in der Ihnen geschriebenen Formulierung des Reziprozitätsgesetzes, die abwegig war und in der durch Rechenfehler zustandegekommenen Meinung dass im Fall der Vierergruppe Isomorphie besteht. Sie machen sich keine Vorstellung von der Mühe die mir alles gemacht hat. Doch nun berichte ich nochmals von vorne zusammenhängend.
(3) c, = a ; c,n = . Potenzieren so: (a) = a .
Ich habe mich sehr gefreut dass Sie so stark nichtkommutativ rechnen, dass Sie in Ihrem Brief auch Ideale nicht vertauschen.
Aus c,c, = c,c, folgt durch Produkt über :
Durch
(4) c,n = erhält man, wenn a ein beliebiges Idealsystem ist für das nach Einsetzen in (4) eine n-te Potenz herauskommt, ein zulässiges c, und somit alle. a' liefert ein mit c, äquivalentes Faktorsystem, wenn a' = nc1-a, wo beliebig, c von unabhängig. Wir schreiben dann a' ~ a.
Nun die -primären Systeme:
Damit eine n-te Idealpotenz herauskommt ist notwendig und hinreichend:
(5) m + m-1 m (mod n) .
Setzt man = 1 so erhält man nach Einführung neuer Zeichen:
(6) m m-11 - m-11 (mod n) .
Wählt man m1 als beliebige ganze Zahlen, so ist durch (6) schon (5) identisch befriedigt. Es ist noch Sorge dafür zu tragen, dass mz m wird. Dann muss, da -1 und -1 beliebige Gruppenelemente sein können:
(7) h() m1 - m11 (mod n)
so heisst das:
(8) h(z) h(z) + h() (mod n)
und die zu befriedigende Kongruenz lautet
Sind z1,z2 zwei Elemente aus , so gilt
(9) h(z1z2) h(z1) + h(z2) (mod n) .
Ist (9) befriedigt, so kann (8) als Definition für h(z) angesehen werden, wenn h() willkürlich gegeben ist.
Ist nun in
(10) a = m
das Vertretersystem der einzigen Bedingung unterworfen dass aus der Nebengruppe der Vertreter = 1 gewählt ist, so ist jetzt die Gleichung mz m entbehrlich. Es ist nämlich m1 definiert also auch durch (7) das h() für alle . Dieses muss (8) genügen.
Aus (6) folgt
(11) m h(-1) - h(-1) (mod n) ,
und genügt als solches für alle jetzt mz m. Die Erweiterung der Erklärung von m auf alle kann also durch (11) geschehen. Aus (11) folgt:
Es sei nun der Vertreter der Restklasse . Also
Da = ist, folgt:
(12) a ~ h(-1 -1)
Hier treten nur Werte h(z) auf, so dass also nur noch (9) zu befriedigen ist. h(z) ist eine Darstellung von durch Restklassen modulo n. Dem Produkt zweier a-Systeme entspricht die Summe der Darstellungen. Ist die Darstellung die 0 Darstellung, so ist a ~ 1.
Ist umgekehrt a ~ 1 also a = nc-1 , wo c von unabhängig ist, so sei
Also ist a ~ 1 dann und nur dann, wenn h() die Nulldarstellung ist. Also ist die Gruppe der -primären Faktorensysteme isomorph mit der Gruppe der Darstellungen der Faktorkommutatorgruppe von , durch Restklassen mod n. Da diese als Exponenten der n-ten Einheitswurzel eines Charakters aufgefasst werden können, ist sie isomorph mit der Gruppe der Charaktere und daher isomorph mit der Faktorkommutatorgruppe von selbst.
Bis hierher hatte ich Ihnen schon berichtet.
Abelscher Spezialfall:
Wir definieren = (also das „kleinste“ ambige Ideal von ) und versuchen den Ansatz a = A, wo A eine Zahl ist. Damit eine n-te Potenz herauskommt muss, da a ambig ist:
Da nun jeder Charakter von zu einem Charakter der ganzen Gruppe erweitert werden kann, so folgt, dass bei A alle Darstellungen vorkommen.
Daher kann a ambig realisiert werden.
Dann ist c,n = = c,n (wegen = ) , also ist c , = c, ambig. Ist übrigens c, = c, , so ist a = b also a ambig also schon c, ambig. Natürlich gilt für jedes ambige c, auch schon die Symmetrie.
Da es für primäre c, geht, geht es für alle.
Allgemein: Nur solche primäre Systeme lassen sich ambig realisieren (wenn c, ambig, dann a auch) für die die Darstellung h(z) zu einer Darstellung der ganzen Faktorkommutatorgruppe erweitert werden kann.
Gegenstück = Kommutator . Dann ist nur die 0-Darstellung ambig realisierbar also jedes ambige Faktorsystem ~ (1) . Ikosaeder!
Nun zurück zum Allgemeinen. kein Diskr[iminanten-]Teiler. Jedem -primären Faktorsystem ordnen wir zu das Symbol
(13) h (mod n) ,
wo die Frobeniussubstitution ist.
Beweis dass das (13) nicht von abhängt. Wählt man statt das Ideal zur Darstellung, so folgt aus (12)
h() = h(-1 -1), also wegen = -1 ,h = h . Da , ist = ,
also
h = h .
Nun liegt -1 in . Da h(z) eine Darstellung ist, folgt die Invarianz.
Beweis, dass es nicht von dem Vertretersystem abhängt (auch h(z) nicht) beinahe trivial.
Für beliebige nicht primäre 165 werde durch zusammensetzen erklärt. (natürlich c, prim zur Diskr[iminanten])
Nun lautet das Reziprozitätsgesetz:
Die fragliche Gruppe der c, (mod ) ist also cyklisch und isomorph der Gruppe der mod n. Ist daher m das kleinste gemeinsame Vielfache aller Ordnungen aller Elemente von , so ist es eine cyklische Gruppe der Ordnung m. Das ist der traurige Überrest eines Isomorphiesatzes.
Nun kann das Normenrestsymbol in Analogie zu Ihrer alten Definition für Zahlfaktorensysteme erklärt werden und es gilt die Summenformel ect! Bildet man , so sind es Ihre Invarianten des verschränkten Produkts.
Die Beweisführung geschieht besser umgekehrt von Ihren Invarianten aus zum „Normenrestsymbol“, von dort zu . Das kann nicht sehr schwer sein aber ich habe es noch nicht überlegt. Wahrscheinlich sehen Sie alles in zwei Zeilen.
Noch eine Bemerkung. Die Faktorensysteme sind daher sicher nicht das Wahre. Denn etwa bei einer abelschen Gruppe vom Typus (2,2) kommt eine Gruppe der Ordnung 2 heraus und es geht das ganze alte Reziprozitätsgesetz flöten. Die Theorie hat eben nur den Sinn, alles fürs cyklische gültige zu übertragen.
Ich will jetzt über den Ausbau nachdenken. Die Beweise der erwähnten Dinge erscheinen mir unproblematisch.
Man könnte auch trachten die Beweise nach der alten Klassenkörpertheorie zu führen und so zu einer Theorie der verschränkten Produkte für beliebige nicht cyklische Körper kommen.
Ich vergass noch die leicht zu bestätigende Übergangsregel:
(mod m), wenn , nur Elemente der zu gehörigen Untergruppe durchlaufen und m der Grad von K/ ist.
Mit vielen herzlichen Grüssen
Ihr
Artin