Es gibt eine undatierte Postkarte von Siegel an Hasse, mit Poststempel vom Juni 1931 (Tag nicht erkennbar), die folgendermaßen beginnt:
Lieber Herr Hasse, ich überlegte mir heute morgen auf der Heimreise noch einmal Ihre Frage wegen der Diskriminante der Schiefkörper…
Demnach war also auch Siegel zu Besuch bei Hasse in Marburg gewesen, und zwar 1-2 Wochen nach Artin, und Hasse hatte ihn wegen der Diskriminante von Schiefkörpern angesprochen. Siegel stellt auf der Postkarte einen Beweis dar, dass die Diskriminante eines Schiefkörpers D, genommen über dem rationalen Zahlkörper , stets vom Betrag > 1 ist, dass also, falls das Zentrum von D ist, stets eine verzweigte Stelle vorliegt. Wäre der Beweis richtig, dann würde er das Lokal-Global-Prinzip für zentrale Schiefkörper über dem Grundkörper implizieren.
Siegel selbst scheint Zweifel an der Richtigkeit seines Beweises gehabt zu haben, denn am Schluss seiner Postkarte schreibt er: „Wo liegt der Fehler? “ Wie wir sehen, hat Hasse den Siegelschen Beweis auch nicht recht akzeptiert, und er hat ihn Artin vorgelegt. Zwar meint Artin, dass der Siegelsche Beweis in Ordnung sei, aber er kann ihn im Augenblick auch nicht nachvollziehen. Er begründet seine Ansicht damit, dass die Methoden von Minkowski, an die Siegel in seinem Beweis anschließt, erfahrungsgemäß ziemlich weit führen.110 Gemeint sind dabei wohl die Gitterpunktmethoden, also insbesondere der Minkowskische Gitterpunktsatz, mit denen Minkowski die Diskriminantenabschätzung liefern konnte.
Hasse jedoch hatte dann offenbar herausgefunden, dass der Beweis in der vorgelegten Form nicht zutreffend ist, denn in seinem nächsten Brief an Hasse vom 6.7.1931 schreibt Siegel:
Was die Diskriminante betrifft, so habe ich offenbar nicht die richtige Definition der Diskriminante zugrunde gelegt. Würden Sie mir gelegentlich mitteilen, wie Sie sie definieren?
Und weiter:
Es ist schade, dass Ihnen für die Durchführung Ihrer schönen Idee nicht geholfen ist.
Leider waren die Bemühungen Hasses, den Beweis doch noch zu retten, nicht erfolgreich, denn Siegel schrieb später:
„Vielen Dank für Ihre Darstellung meines missglückten Beweises!“
Dies war am 21.10.1931. Nur drei Wochen später gelang es dann Hasse mit Hilfe von Emmy Noether und Richard Brauer, mit ganz anderen Methoden einen Beweis für das gesuchte Lokal-Global-Prinzip zu finden. (Siehe [Roq05b].) Als ihm Hasse dies mitgeteilt hatte und dabei schrieb, dass dies noch in den Festband zu Hensels 70.Geburtstag aufgenommen werde, antwortete Siegel am 9.12.1931:
„Das ist in der Tat das schönste Geburtstagsgeschenk für Hensel, dass seiner p–adischen Methode ein solcher Triumph beschieden wurde.“
Und er fügte hinzu:
„Der Pessimismus, den ich den Aussichten der Mathematik gegenüber im Allgemeinen empfinde, ist wieder einmal wankend geworden.“
Zurück zum Brief von Artin: die „zweite Stelle“, die er erwähnt, ist eine Schlussweise, die in dem von Siegel angedeuteten Beweis vorkommt. Wir sehen, es handelt sich um eine einfache Folge aus dem Satz über das arithmetische und das geometrische Mittel.