Der Satz von Jordan-Hölder hat im Laufe seiner Entwicklung mehrere Verfeinerungs-Stufen durchlaufen. Zuerst bewies C.Jordan 1870 in seinem „Traité des substitutions et des équations algébriques“ dass je zwei Kompositionsreihen einer endlichen Gruppe dieselbe Länge besitzen und ausserdem die Ordnungen der einfachen Faktorgruppen in jeder Reihe übereinstimmen (bis auf die Reihenfolge). Der Satz wurde 1889 verfeinert von O.Hölder in einer Arbeit in den Mathematischen Annalen [Höl89], dahingehend, dass nicht nur die Gruppenordnungen, sondern auch die Isomorphietypen der Faktorgruppen übereinstimmen. Statt der Endlichkeit der Gruppe kann dabei lediglich die Endlichkeit der Kompositionsreihen vorausgesetzt werden; der Beweis ist derselbe. Die dritte, von Schreier herrührende Stufe entstand 1928, und wie wir in dem vorliegenden Brief sehen, hat Artin sie als Neuigkeit sogleich Hasse mitgeteilt. Es wird nicht mehr die Endlichkeit der Länge einer Kompositionsreihe vorausgesetzt, sondern es werden lediglich zwei endliche Normalreihen miteinander verglichen. Schreier hat diesen seinen Satz noch im selben Jahr in den Hamburger Abhandlungen publiziert [Sch28].
Artin scheint sehr angetan von dem Satz und lobt ihn als den „wahren“ Satz von Jordan-Hölder. Wir würden dem zustimmen, gäbe es nicht noch eine weitere Verfeinerung dieses Satzes. Im Jahre 1934 erschien in den Hamburger Abhandlungen eine Arbeit von Zassenhaus, einem Doktoranden von Artin, mit dem Titel „Zum Satz von Jordan-Hölder-Schreier“ [Zas34]. Dort wurde gezeigt, dass es feste Formeln gibt für die Konstruktion der jeweiligen Verfeinerungen der beiden gegebenen Normalreihen. Dieser Satz wurde in das 1937 erschienene Gruppentheorie-Lehrbuch von Zassenhaus (das auf einer Vorlesung von Artin beruht) übernommen und dadurch weithin bekannt [Zas37]. Er gilt nicht nur im Rahmen der Gruppentheorie, sondern auch für Operatorgruppen, Moduln, Ideale und allgemein in Kategorien mit den entsprechenden Eigenschaften. Diese, bislang letzte Stufe des Satzes ist heute unter dem Namen „Jordan-Hölder-Schreier-Zassenhaus“ der Standard in den Lehrbüchern. Manchmal heisst der Satz auch das „Schmetterlingslemma“, weil das Gruppendiagramm, das zur Veranschaulichung der Zassenhausschen Formeln dient, an die Form eines Schmetterlings erinnert.