Im Sommer 1977 verbrachten wir zusammen mit Hasse und seiner Altersgefährtin Marion Ritter zwei Wochen vom 17.Juni bis 3.Juli im Unter-Engadin, wo wir seit 1972 ein Ferienhaus besitzen. Hasse hatte als 16-Jähriger die um sieben Jahre jüngere Marion Ritter kurz vor dem Ersten Weltkrieg in den Sommerferien in einer Pension im Thüringer Wald kennengelernt und dann 1971 wieder getroffen. Hasses Frau war schon im Sommer 1967 an den Folgen von Nierenschwund gestorben. Die Zeit im Engadin hat Hasse sehr genossen und auch rüstig verschiedene Wanderungen mitgemacht.
In Anschluss an diese gemeinsamen Tage habe ich die Biographie [Fre77] noch etwas ergänzt und dann im Juli 1978 an verschiedene mit Hasse vertraute Personen versandt, an seine Tochter Jutta Kneser und seinen Sohn Rüdiger Hasse sowie an die Schüler Curt Meyer, Wolfram Jehne, Peter Roquette und Paul Wolf und dazu an Hans Zassenhaus. Eine Kopie ging auch an K.Honda in Japan, der selbst eine kleinere Hasse-Biographie auf Japanisch in Arbeit hatte.
Damals ging es Hasse gesundheitlich noch ordentlich. Er verbrachte im August 1978 nochmals zwei Wochen in der Schweiz, auch „um allem Aufheben um seinen 80.Geburtstag [am 25.August] zu entgehen“. Im Jahr darauf wurde er aber ernsthaft krank, und zu seinem grössten Bedauern konnte er an der Tagung in Oberwolfach über Algebraische Zahlentheorie im August, die er seit vielen Jahren um diese Zeit organisiert hatte, nicht mehr teilnehmen. Er war tieftraurig, dass er seine vielen daran teilnehmenden Schüler und Freunde nie mehr werde sehen können. Ein Telegrammgruss an die Teilnehmer war für viele die letzte Nachricht. Am 26.Dezember 1979 ist er in Ahrensburg gestorben, nachdem er die letzten Monate trotz grosser Schmerzen geduldig ertragen hatte.
Da nun der erste Teil der Hasse-Biographie [Fre77], noch von Hasse begleitet, zu einem gewissen Abschluss gebracht war und veröffentlicht werden konnte, war es an der Zeit, auch im Hinblick auf den zweiten, Hasses Werk umfassenden Teil, den Briefwechsel Hasse-Artin wieder aufzunehmen. Dieser vor allem die Zeit von 1923 bis 1934 umfassende Briefwechsel war ja auf das Engste mit Hasses Arbeiten zu den Reziprozitätsgesetzen und zur Klassenkörpertheorie verbunden. Zur Wiederaufnahme dieses Projektes hatte mich auch Peter Roquette nach der Lektüre der Hasse-Biographie ermuntert und dafür auch seine Hilfe angeboten, umsomehr als sich jetzt Klaus Peters vom Birkhäuser-Verlag dafür interessierte und telefonisch auch schon die Übernahme des Projektes für diesen Verlag zugesichert hatte. Der ursprüngliche Plan mit Hans Zassenhaus wurde beibehalten, mit dem Peter Roquette und Klaus Peters einverstanden waren, wobei Peter Roquette vorschlug, den Kommentar so ausführlich zu gestalten, dass gleichzeitig eine Einführung in die Klassenkörpertheorie auf historischer Grundlage entstehe. Auch Winfried Scharlau liess mir über Max Knus ausrichten, dass er gerne den Briefwechsel in die Reihe „Dokumente zur Geschichte der Mathematik“ beim Verlag Vieweg aufnehmen möchte.
Daraufhin verfasste ich die Kurzbiographien zu Artin und Hasse, die Einleitung, die Kurzübersicht über den Inhalt der Briefe und erstellte ein Namen- und Sachregister. So konnten die Briefe von Artin an Hasse in der Reihe „Collection Mathématique“ (s. [Fre81a]) im Januar 1981 erstmals der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Dabei ist es dann aber für längere Zeit geblieben. Erst im Jahre 1997 – Hans Zassenhaus war unterdessen am 21.November 1991 in Columbus, Ohio, gestorben – haben Peter Roquette und ich das Projekt wieder aufgenommen mit der Absicht, den Briefwechsel nochmals, aber mit ausführlichen Kommentaren zu veröffentlichen. Dazu wurden zunächst einmal eine Reihe von vorbereitenden Arbeiten publiziert, in denen einzelne Teile des Werkes von Hasse genauer untersucht wurden. Dazu gehören unter anderen [Fre89], [Fre01a], [Fre01b], [Fre04], [Fre06], [Fre07]; [Roq98], [Roq00], [Roq01], [Roq02a], [Roq02b], [Roq05b], [Roq04], [Roq05a], [LR06] und [Roq06], die nun den Kommentaren zugrunde liegen.