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03.03.1933, Noether an Hasse



Inhalt:

Glückwunsch zur “Riemannschen Vermutung”. Note von Chevalley zur Arithmetik der Matrizenalgebren. Hasses Arbeit über explizite Konstruktion von Klassenkörpern.


3. 3. 33

Lieber Herr Hasse!

Vor allem meinen Glückwunsch zur “Riemannschen Vermutung”. Sie haben unglaublich viel in letzter Zeit gemacht! Ich vermute daß Sie nun an die allgemeine Artin-Schmidtsche Zetafunktion werden herankönnen, da Sie jetzt schon allgemeine Klassenkörpertheorie heranziehen.1)

Die Note von Chevalley hat mich sehr interessiert; ich vermute daß ein solches Auftreten von Idealen als Koeffizientenbereich (aik Koeffizientenbereich von eik, der Matrizeneinheit) überall bei Anwendung verschränkter Produkte hineinspielen wird, bei Charakterisierung der Maximalordnungen, was ich ja nur bei Faktorensystem Eins habe, in meiner Herbrand-Note. Vielleicht kommt man so auch zu weiteren Deutungen der Ideal-Faktorensysteme.2)

Ihre Klassenkörpernote ist jetzt sehr klar geworden in Fragestellung und Methode.3) Ich hänge noch an einer Stelle, was nur an meiner Ungeschicklichkeit liegt. Daß a0 Hauptideal, schließen Sie offenbar aus dem

Hilfssatz: Ist das Hauptideal (a)=n p1a1...psas, so gibt es ein Hauptideal (a0)=p1a1...psas mit ai  =_ ai (mod n).

Das muß aus einfachen Schlüssen über absolute Idealklassen und abelsche Gruppen folgen; aber ich komme nicht drauf. Oder findet man irgendwo diesen Schluß von der n-Gleichheit auf die wirkliche Gleichheit? Ich habe den Eindruck daß ich eine Trivialität nicht sehe.4)

Herzliche Grüße, Ihre Emmy Noether.
     

Anmerkungen zum Dokument vom 3.3.1933

1Es geht um den Beweis des Analogons der Riemannschen Vermutung für elliptische Funktionenkörper mit endlichem Konstantenkörper. Aus der Korrespondenz von Hasse mit Davenport und Mordell wissen wir, dass Hasse den Beweis Ende Februar 1933 gefunden hatte. Er hat also Emmy Noether bald danach informiert. Hasses Beweis benutzte die Klassenkörpertheorie der komplexen Multiplikation, die er in früheren Arbeiten im Crelleschen Journal dargestellt hatte: Has:1926c , Has:1931b . Daher erwähnt Emmy Noether die Klassenkörpertheorie. Wenn Noether von der allgemeinen Artin-Schmidtschen Zetafunktion spricht, dann bezieht sie sich erstens auf die Artinsche Dissertation (1921), in der er die Zetafunktion für hyperelliptische Funktionenkörper definiert hatte, und zweitens die Habilitationsschrift von F. K. Schmidt (1927), in welcher die Zetafunktion beliebiger algebraischer Funktionenkörper (mit endlichem Konstantenkörper) definiert und untersucht wird. Vgl. Art:1924 , Art:1924a , FKS:1931 .

2Es handelt sich wohl um die Arbeit von Chevalley mit dem Titel “Sur certains idéaux d’une algèbre simple” Che:1934 , welche in den Hamburger Abhandlungen erschien. Vielleicht hatte Noether (und Hasse) einen Vorabdruck oder die Korrekturfahnen dazu erhalten. Es gibt enge Verbindungen dieser Arbeit zu den Arbeiten von Noether Noe:1934 und Hasse Has:1934a , die später im Gedenkband für Herbrand erschienen.

3In dieser Note gibt Hasse eine explizite Konstruktion zyklischer Klassenkörper unter der Voraussetzung, dass die relevanten Einheitswurzeln im Grundkörper liegen. Hasse hatte das Manuskript am 22. 2. 1933 an Emmy Noether (als inoffizielle Herausgeberin der Mathematischen Annalen) geschickt. Die Arbeit Has:1933b erschien noch 1933. Wenn Noether schreibt, dass die Arbeit “jetzt” sehr klar geworden sei, dann ist zu vermuten, dass es eine frühere Version gegeben hat, die nicht so klar war. Uns ist jedoch keine frühere Version bekannt.

4Das war ein Druckfehler in dem Manuskript, siehe den nächsten Brief * vom 22. 3. 1933.