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14.05.1928, Noether an Hasse



Inhalt:

Kritik und Kommentar zur Arbeit von Rauter über Verzweigungstheorie in Funktionenkörpern.


Reichsdruckerei Berlin SW 68 Oranienstr. 911)

14. Mai 1928

22 St¨uck Mehrabdruck der beiden Mitteilungen
aus St¨uck XXXII der Sitzungsberichte
der Preußischen Akademie der Wissen-
schaften:  ¨Uber minimale Zerf¨allungs-
k¨orper irreduzibler Darstellungen und
Existenz gewisser algebraischer Zahl-
k¨orper, zu 7/8 Bg.  8o, in bedrucktem
Umschlag geheftet und beschnitten.                          3.30

Lieber Herr Hasse !

Nach obiger Rechnung erkennen Sie, daß wir zusammen 100 Sep. à 15 Pf = 15 M zu bezahlen haben; ich schicke Ihnen hiermit meinen Anteil von 5 M mit der Bitte, diese Rechnung mit Ihrer gemeinsam zu bezahlen.

Ich habe mir die Arbeit von Rauter2) im letzten Crelle-Heft etwas angesehen; er hat vergessen zu sagen, daß er K als Erweiterung erster Art von k voraussetzt, obwohl es mehrfach benutzt wird, wesentlich bei nicht ausgeführten Schlüssen.3)

Die Idealtheorie bleibt übrigens auch bei Erweiterung 2. Art erhalten, wie F.K. Schmidt und in allgemeinen Fällen Artin-van der Waerden (Erhaltung der Kettensätze - in den Göttinger Nachrichten 1926) gezeigt haben 4); dagegen werden die Differenten- und Diskriminantensätze hier anders.

Daß alles genau wie im Zahlkörper geht, beruht auf dem folgenden, auch im Zahlkörper allein benutzten Voraussetzungen:

1) K ist Erweiterung erster Art von k;

2) die ganzen Gr¨oßen aus k bilden Hauptidealring;

3) der Restklassenring nach jedem ganzen Ideal aus k (und damit aus K) besteht
aus endlich vielen Elementen.
1) und 2) gibt Idealtheorie, 3) [?]5) gibt Verzweigungstheorie; insbesondere muß die Theorie von Trägheits- und Verzweigungsgruppen übereinstimmen6), da es sich hier um eine Theorie derselben Restklassenringe7) handelt, während die betreffenden Unterkörper von K durch die Galoissche Theorie gegeben sind.

Die wirklichen Unterschiede treten also nur im verschiedenen Verhalten der unendlich fernen Punkte auf.

Beste Grüße, Ihre Emmy Noether.
        

Anmerkungen zum Dokument vom 14.5.1928

1Es handelt sich um die Rechnung der Druckerei für Sonderdrucke der beiden Arbeiten BraNoe:1927 und Has:1927 , die zusammengebunden geliefert wurden. Noether schickt Hasse die Rechnung und schreibt auf das Papier samt Rückseite noch andere, mathematische Informationen.

2Herbert Rauter war Gymnasiallehrer in Tilsit (Ostpreußen) und war 1926 bei Hasse in Halle promoviert. In seiner Dissertation hatte er die Resultate der Hasseschen Dissertation auf den Fall eines rationalen Funktionenkörpers Fp(x) übertragen - nämlich das Lokal-Global-Prinzip für quadratische Formen. Die jetzt in Rede stehende Crelle-Arbeit Rau:1928 entwickelte u.a. die Grundlagen der Arithmetik in algebraischen Funktionenkörpern über endlichen Körpern, sowie die Hilbertsche Verzweigungstheorie für Galoissche Erweiterungen von Funktionenkörpern.

3“Erweiterung erster Art” heißt “separable Erweiterung”. Die Noethersche Kritik führte zu einer Korrektur, die noch im selben Crelle-Band Rau:1928a erschien, und in welcher Rauter feststellte, dass er in der Tat Separabilität hätte voraussetzen müssen.

4F. K. Schmidt hatte Funktionenkörper einer Variablen behandelt, und zwar in seiner Arbeit FKS:1931 zur “Analytischen Zahlentheorie in Charakteristik p ”; diese Arbeit erschien zwar erst 1931, aber sie war schon 1927 fertig und als Habilitationsschrift benutzt worden; offensichtlich kannte Noether diese Arbeit. Artin und van der Waerden behandelten Erweiterungen solcher Körper der Charakteristik p , bei denen der Grad über dem Teilkörper Kp endlich ist, was bei Funktionenkörpern in einer oder mehreren Variablen der Fall ist, wenn der Grundkörper diese Eigenschaft besitzt. Vgl. ArtvdW:1926 . Später publizierte Grell Gre:1935 den Satz ganz ohne zusätzliche Voraussetzung.

5Hier steht im Original ein Wort, was wir nicht entziffern konnten.

6Gemeint ist offenbar, dass die Theorie der Trägheits- und Verzweigungsgruppen in Funktionenkörpern übereinstimmt mit der entsprechenden Theorie in Zahlkörpern.

7Das ist in Bezug auf wilde Verzweigung nicht richtig, denn die Restklassenringe in Funktionenkörpern (Charakteristik p) sind nicht dieselben wie die Restklassenringe in Zahlkörpern.