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19.10.1927, Noether an Hasse, Postkarte



Inhalt:

N. freut sich über H.s Beweis. N. hat vor, eine gemeinsame Note mit Brauer zu publizieren, und H.s Beweis als eine weitere Note unmittelbar darauffolgend.


Göttingen, 19. 10. 27

Lieber Herr Hasse!

Ihr Beweis hat mir viel Freude gemacht; die Sache liegt also doch etwas tiefer! Ich dachte an eine Publikation in den Berliner Sitzungsberichten, wo sich bis jetzt so ziemlich alle kurzen Mitteilungen über Darstellungstheorie finden. Und zwar habe ich eine Note von 5-6 Seiten entworfen, die ich an R. Brauer - Königsberg schickte, damit er seinen Anteil einträgt; es sollte dann unter gemeinsamem Namen gehen, überhaupt etwas über neuere Ergebnisse berichten. Ihr Beweis könnte dann als kurze Note unmittelbar folgen; vielleicht mit dem Untertitel “aus einem Brief an E. Noether”, dann wäre textlich garnichts zu ändern! Was soll der Obertitel sein, und sind Sie überhaupt mit meinen Vorstellungen einverstanden? Soll man denn die Noten als ein Separat binden lassen oder als zwei? 1)

Ich muß nur noch Bescheid von R. Brauer abwarten. Es wäre ja möglich, obwohl nicht allzu wahrscheinlich, daß er die Tatsache der Nichtbeschränktheit der Grade der minimalen Zerfällungskörper allgemein bewiesen hätte.2) Dann müßte erst gesehen werden, inwieweit das Beispiel noch Wert hat.

Übrigens würde ich in Ihrem Brief meine Vermutung nun so formulieren: Zyklische Körper des Grades 2n über R, wo -1 Summe von drei Quadraten. Daß der Unterkörper des Grades 2n-1 reell, ist ja keine neue Forderung; das hatte ich neulich übersehen. Ich schicke Ihnen dann vielleicht das ganze zu, ehe es an Schur geht.3)

Beste Grüße, Ihre Emmy Noether.
    

Anmerkungen zum Dokument vom 19.10.1927

1Die beiden Noten wurden als ein Separat zusammen gebunden.

2Für minimale Zerfällungskörper der Quaternionen konnte Brauer die Nichtbeschränktheit der Grade auch direkt nachweisen, zwar nach den Ideen von Hasse aber ohne Benutzung der Klassenkörpertheorie. In einer Fußnote zu BraNoe:1927 heißt es darüberhinaus, Brauer habe nachträglich zeigen können, dass es minimale Zerfällungskörper zu jedem geraden Grad gibt, also zu allen für einen Zerfällungskörper der Quaternionen möglichen Graden. Übrigens lässt sich letzteres inzwischen für alle zentralen einfachen Algebren über Zahlkörpern beweisen, mit Hilfe des Lokal-Global Prinzips für Algebren und den in BraHasNoe:1932 entwickelten Methoden.

3Issai Schur, Berlin, war Mitglied der Preussischen Akademie der Wissenschaften und konnte daher der Akademie Arbeiten zur Publikation in den Sitzungsberichten vorlegen.